Phasen wie die aktuelle sind herausfordernd und beängstigend für die allermeisten. Nicht nur Personen, die unmittelbar um ihre Gesundheit und die ihrer Freund*innen und Verwandten bangen, vermehrt physischer Gewalt durch Verwandtschaft und Partner*innen ausgesetzt sind oder den Verlust einer nahestehenden Person betrauern, sondern auch diejenigen, die durch die Verordnung des Social distancing in ihrer gewöhnlichen Lebensführung eingeschränkt sind, machen oftmals eine schwere Zeit durch. Dass es andere schlimmer trifft (denn natürlich gibt es da Unterschiede) und gegenseitige Solidarität in jedem Fall geboten ist, macht deine eigenen Gefühle in Anbetracht der Situation aber nicht weniger relevant.

Vielleicht ist es für dich gerade hart, dass du deine Lieben nicht um dich haben kannst.

Vielleicht vermisst du schmerzlich deine Freund*innen und deine Verwandten.

Vielleicht brechen alte Wunden wieder auf und dir geht es psychisch einfach nicht gut.

Vielleicht fühlst du dich macht- und hoffnungslos, wenn die Flut der Nachrichten über dich hereinbricht.

Vielleicht macht die Einsamkeit dir zu schaffen und du empfindest die physische Distanz zu den sozialen Kontexten, die sonst Teil deines Lebens sind, als sehr belastend.

Schreibblockade durch Corona?

Vielleicht fühlst du dich auch in deinen Schreibprojekten gehemmt, bist antriebs- und ideenlos.

Gerade Autor*innen, die bei ihrer Tätigkeit auf kreative Schübe angewiesen sind und durch das Aneinanderreihen von Buchstaben und Worten neue Welten erschaffen, finden sich in schwierigen emotionalen Situation oft mit einer (psychologisch bedingten) Schreibblockade konfrontiert oder haben Schwierigkeiten, den Fokus für ein Projekt zu halten.

Gefühle verraten uns sehr viel über uns selbst und haben selbstverständlich ihre Daseinsberechtigung. Sie sollten bewusst gefühlt werden und es ist vollkommen normal, während einer harten Zeit mit negativen, beängstigenden Gefühlen zu kämpfen zu haben. Es ist auch nicht schlimm, wenn du weniger schaffst als sonst oder einfach viel Zeit brauchst, um ‚nichts‘ zu tun und mit dir selbst in den Austausch zu gehen.

Ich möchte dich jedoch dazu ermuntern, die aktuelle Situation für dich zu nutzen und sie als Möglichkeit zu betrachten, dich gerade jetzt auf das Schreiben und dein aktuelles Herzensprojekt zu konzentrieren. Nutze deine Gefühle ganz gezielt und versuche, sie in deinen kreativen Schreibprozess einfließen zu lassen!

Warum gerade jetzt?

Doch warum bieten sich Phasen wie die jetzige dafür an, in die Tasten zu hauen und endlich deine liegengebliebenen Projekte anzugehen?

Social distancing

Es liegt auf der Hand: Menschen, für die das möglich ist, sollten aktuell lieber zuhause bleiben. Bedeutet im Umkehrschluss: Du hast viel mehr freie Zeit zur Verfügung, um dich fokussiert an dein Manuskript zu setzen und konzentriert zu arbeiten, ohne dabei unterbrochen oder gestört zu werden.

Dein Fantasyroman braucht noch den letzten Schliff? Dir schwirrt schon länger die Idee für eine Kurzgeschichte im Kopf herum? Du überlegst schon seit einer Weile, einen Fortsetzungsband zu einem deiner Bücher zu schreiben? Oder hast du bisher zwar die Ideen, aber nie die Zeit und Muße dafür aufbringen können, deinen Traum, ein Buch zu schreiben, endlich in die Tat umzusetzen? Ganz egal, was auf dich zutrifft – jetzt hast du die Möglichkeit, deine Geschichten zu Papier zu bringen und dein Projekt voranzutreiben!

Gefühle in den Schreibprozess integrieren

Angst, Ungewissheit, Einsamkeit und Unruhe, aber auch Hoffnung, Freude, Erleichterung und Vorfreude sind nur einige der Gefühle, mit denen viele sich derzeit kontinuierlich konfrontiert sehen. Das kann schnell zu Überforderung und Verzweiflung führen und in manchen Fällen sind die psychischen Ursachen so tiefgehend, dass professionelle Unterstützung notwendig ist (beispielsweise bei Depressionen und ähnlichen Krankheitsbildern). In einigen Fällen lassen sich die Gefühle aber auch bewusst umlenken und produktiv in den eigenen Schreibprozess einbringen. Die Gefühle nicht abzublocken, sondern sie wahrzunehmen, zu fühlen und dann mit in die Geschichte einfließen zu lassen, kann bei der emotionalen Verarbeitung helfen und durchaus auch deinem Manuskript guttun.

Ablenkung schaffen

Aktuell haben wir es mit einer regelrechten Nachrichtenflut zu tun; ständig ändert sich die Situation und es gibt neue Entscheidungen, Entwicklungen und Erkenntnisse – und zu allem Überfluss befinden sich viele Menschen zuhause und nehmen die Neuigkeiten so viel intensiver wahr. Wenn du dich selbst dem Schreiben widmest und so in andere Welten und andere Situationen eintauchst, ist das nicht nur für deine Produktivität hilfreich – die Beschäftigung mit deinem Manuskript und deinen Ideen für neue Geschichten verschafft dir auch eine willkommene Abwechslung!

Wie fange ich an?

Möglicherweise bist du bereits entschlossen, für dich das Beste aus der Situation zu machen, weißt aber nicht so recht, wie du anfangen sollst?

Hier sind einige Tipps, die dir dabei helfen, beim Schreiben weiterhin auf deine Kreativität zurückgreifen zu können und den Fokus nicht zu verlieren:

Ablenkungen ausschalten

Dieser Punkt ist nicht neu: Wenn du dranbleiben willst und in deinem Schreibprozess nicht ständig gedanklich unterbrochen werden möchtest, solltest du mögliche Ablenkungen ausschalten. Zum Beispiel kannst du dein Handy in einen anderen Raum legen oder den Flugmodus aktivieren. Außerdem ist es hilfreich, wenn der von dir zum Schreiben auserkorene Ort nicht allzu viel Ablenkungspotenzial aufweist. In politisch turbulenten Zeiten kann es darüber hinaus sinnvoll sein, täglich feste Slots für das Verfolgen der Nachrichten einzurichten und in der übrigen Zeit davon abzusehen, ständig die aktuellsten Meldungen zu verfolgen. 

Pausen einlegen

Nicht minder wichtig sind Pausen. Sie verschaffen dir neue Energie und sorgen oft dafür, dass dein Gedankenchaos (etwa bezüglich einer deiner Figuren, einer Schlüsselszene im Roman oder einem bestimmten Handlungsstrang) etwas überschaubarer wird und du so vielleicht sogar schneller eine Lösung findest. Auch in Zeiten des Social distancing: Begib dich für einen Moment an die frische Luft, setz dich mit einem Kaffee oder Tee ans Fenster oder mach etwas anderes, was dich runterkommen und neue Kraft schöpfen lässt! Danach kannst du dann umso konzentrierter weiterschreiben.

Struktur

Wenn du den Überblick über ein Projekt verloren hast und nicht so recht weißt, wo du ansetzen sollst, könnte es dir vielleicht helfen, die Struktur zu visualisieren. Schreib dir genau auf, was du vorhast, welcher Teil der Handlung sich in welchem Kapitel abspielen soll, welche Figuren wann auftreten und sich wo begegnen.

Gefühle niederschreiben

Du kannst dich nicht auf dein Projekt einlassen, weil dein Kopf voller Gedanken ist, die dir keine Ruhe lassen wollen? Neben den oben bereits erwähnten Pausen kann es außerdem sehr effektiv sein, die eigenen Gedanken zunächst niederzuschreiben (in einem separaten Notizbuch). Setz dir dazu eine bestimmte Zeit, beginne mit dem Schreiben und lege den Stift erst dann beiseite, wenn die Zeit abgelaufen ist.

Alternativ kannst du dich auch an der Zahl der Seiten orientieren und dann aufhören, wenn zum Beispiel drei Seiten vollgeschrieben sind. Diese Form des kreativen Schreibens ist unter dem Namen „Morning Pages“ bekannt. Probiere es doch einfach mal aus und beobachte, ob sich für dich beim Schreiben etwas verändert.

Ich wünsche dir viel Erfolg beim Schreiben und hoffe, dass du so für dich etwas Kreativität aus der schwierigen Zeit schöpfen kannst!