Du hast deinen Roman fertiggestellt, ihn durch Testleser*innen abnicken lassen und ihn selbst noch einmal sorgfältig überarbeitet? Du möchtest den nächsten Schritt gehen und dein Buch veröffentlichen? An dieser Stelle ist es sinnvoll, über ein inhaltliches Lektorat nachzudenken.
Doch häufig fragen sich Autor*innen, ob ein Lektorat überhaupt notwendig ist und was überhaupt genau passiert, wenn eine Geschichte lektoriert wird.

In diesem Beitrag stelle ich dir 7 Aspekte vor, bei denen ein*e Lektor*in dir helfen kann. Da es ein großer Unterschied ist, ob du ein Sachbuch, eine Dissertation oder einen Roman ins Lektorat geben möchtest, konzentriere ich mich in diesem Beitrag auf das Lektorat eines belletristischen Werkes. Dieser literarische Bereich ist immer noch enorm umfassend – um die durch das Lektorat berücksichtigten Aspekte zusammenzufassen, eignet sich der Bereich der fiktionalen Unterhaltungsliteratur dennoch recht gut.
1. Figurengestaltung und -entwicklung
Häufig ist man als Autor*in gewissermaßen betriebsblind für die eigenen Figuren; obwohl Testleser*innen hinzugezogen wurden und es häufig bereits vor dem Lektorat mehrere Überarbeitungsphasen gibt, kann die Expertise eines Lektors bzw. einer Lektorin sehr helfen, um den Blick für die Figuren und ihre Entwicklung noch einmal zu schärfen. Haben die Figuren Tiefgang, sind sie nachvollziehbar und ergeben ihre Handlungen zusammen betrachtet Sinn? Sind die Protagonist*innen so gestaltet, dass sie nicht überhöht oder eindimensional erscheinen? Wurde sich den Nebenfiguren ausreichend gewidmet, sodass sie nicht flach rüberkommen? Entwickeln sich die Figuren im Laufe der Geschichte in einer Form, die nachvollziehbar ist? Ein*e Lektor*in überarbeitet deinen Text mit einem geschulten Blick und kann dir hinsichtlich dieser Punkte hilfreiche Rückmeldungen geben und Verbesserungsvorschläge machen.
2. Erzählform und -Perspektive
Auch bei den Bereichen Erzählperspektive und Erzählform kann dir ein professionelles Lektorat helfen. Hier wird zum Beispiel darauf geachtet, ob die Erzählperspektive geeignet ist und konsequent durchgehalten wird. Außerdem achtet ein*e Lektor*in auf eventuell auftretende Logikfehler, die mit der Erzählperspektive zusammenhängen können.
3. Spannungsbogen
Bei einem professionellen Lektorat wird auch der Spannungsbogen einer Prüfung unterzogen. Ist hier alles passend? Ist der Spannungsaufbau gelungen? An welcher Stelle in der Geschichte ist der Höhepunkt der Handlung zu erkennen und in welchem Seitenverhältnis dazu stehen die weniger spannungsintensiven Passagen? Das klingt alles wahnsinnig mathematisch, hat aber eigentlich eher mit einem guten Gespür für eine gelungene Geschichte zu tun. Ein guter Lektor bzw. eine gute Lektorin bringt dieses Gespür mit in eure Zusammenarbeit und kann dir dabei helfen, eventuelle Schwachstellen auszubessern und den Spannungsbogen abgepasst auf deine Geschichte zu optimieren.
4. Plot
Alle Fragen rund um den Plot fallen ebenfalls ins Aufgabengebiet von Lektor*innen. Ist das Handlungsgerüst logisch aufgebaut? Gibt es einen zentralen Konflikt, der als Fokus der Handlung bestehen bleibt und der im Rahmen des Höhepunktes der Geschichte gelöst wird? Sind die Protagonist*innen mit klaren Zielen und Motivationen verknüpft und ist durch die Nebenfiguren sowie Nebenkonflikte sichergestellt, dass die Geschichte als Ganze trotzdem über Nebenhandlungsstränge und ausreichend Komplexität verfügt? Lädt die Geschichte von Beginn an zum Weiterlesen ein und wenn nein; wie lässt sich das ändern? Diese und weitere Fragen hängen unmittelbar mit dem Plot zusammen.

5. Handlungsstränge
Nicht selten spielt sich die Handlung – unabhängig von der Erzählperspektive – im Rahmen mehrerer Handlungsstränge ab, die am Ende zusammengeführt werden und ein Gesamtbild bilden. Dabei muss genau darauf geachtet werden, dass die zeitliche Abfolge der Handlungen logisch aufeinander aufbaut. Ein Augenmerk ist nicht nur darauf zu legen, dass Figuren nichts wissen sollten, was sie laut Plot noch nicht wissen können, sondern auch darauf, dass die nebeneinander bestehenden Handlungsstränge sinnvoll konstruiert und strukturiert sind; sie sollten über kurz oder lang miteinander verknüpft werden und sich durch einen Zusammenhang zueinander auszeichnen. Ein*e Lektor*in behält all diese Aspekte gut im Blick, während er*sie sich der Überarbeitung deiner Geschichte widmet.
6. Zeitliche Struktur und Setting
Als Setting wird der Aufbau und die Gestaltung der Umgebung in einer Geschichte beschrieben. Bei einem Fantasyroman wird beispielsweise darauf geachtet, in welcher Welt (mit welchen außergewöhnlichen Wesen, welchen magischen Elementen, welchen Besonderheiten der Umwelt) die Handlung sich abspielt. Bei einem historischen Roman ist eine gute Recherche die Grundlage, denn das gewählte Szenario ist eines, das die schreibende Person nicht selbst erlebt hat und das nun möglichst realistisch und stimmig beschrieben werden soll – wahre Begebenheiten und fiktionale Elemente müssen aufeinander abgestimmt und glaubhaft miteinander verknüpft werden. Für jedes Genre gilt: Das Gesamtbild sollte konsistent und die Handlung insgesamt logisch aufgebaut sein. Das gilt auch für die zeitliche Struktur; besonders bei Zeitsprüngen und Rückblicken muss darauf geachtet werden, dass sich keine Widersprüche und Fehler einschleichen.
7. Erzählstil
Nicht zuletzt achtet ein*e Lektor*in bei der Arbeit am Text auch sehr genau auf den passenden Stil. Dabei ist es einerseits wichtig, dass die Stilistik der Sprache zum Setting und zur Handlung passt und auch je auf die handelnden Figuren abgestimmt ist. Andererseits ist ein Lektorat nicht dazu gedacht, den individuellen Schreibstil des*der Autor*in zu verändern! Beim Lektorat sollte dieser stattdessen erfasst und darauf Wert gelegt werden, dass er während des gesamten Manuskriptes eingehalten wird. Denn: Beim Lektorieren geht es um das unterstützende Bearbeiten eines Textes – wir Lektor*innen möchten das Beste aus ihm herausholen, dabei jedoch keinesfalls unnötig stark in den persönlichen Schreibstil eingreifen oder eine komplette Veränderung herbeiführen.
Bei allen aufgeführten Punkten gilt zudem: Ein*e Lektor*in schlägt Dinge vor und ändert sie nicht einfach. Ein professionelles Lektorat zeichnet auch dadurch aus, dass für die schreibende Person am Ende alle Vorschläge klar nachzuvollziehen sind und selbstverständlich jederzeit die Möglichkeit besteht, diese abzulehnen. Nur du triffst am Ende die Entscheidung darüber, wie du deinen Text bearbeiten und am Ende veröffentlichen möchtest – dein Text, deine Regeln!
Bevor du dich ans Veröffentlichen wagst, solltest du ein Lektorat auf jeden Fall in Betracht ziehen – so schöpfst du das volle Potenzial aus, um deine Geschichte zu perfektionieren und deinen Leser*innen das bestmögliche Leseerlebnis zu verschaffen!
Hallo, vielen Dank für die 7 Dinge…
Mir ist das meiste recht bewusst. Hauptproblem ist, denke ich, dass die Chancen auf dem Bücher Markt zu kommen, sehr gering sind, oder man sich den Verlagen fast anbiedern muss, um sein Werk anzupreisen.
Ich bin von meinem Script, der Story überzeugt. Habs tausend mal durchgeackert.
Macht ein Lektorat überhaupt Sinn, wenn die Verlage es nicht mal lesen? Wenn ich viel Geld ausgebe, müsste am Ende auch die Veröffentlichung stehen, inwieweit kann das Lektorat dazu verhelfen?
Liebe Grüße aus Solingen
Hallo Armin,
danke für deinen Kommentar! Ich verstehe deine Nachfrage sehr gut.
Wenn du bei einem Verlag veröffentlichen möchtest, würde dieser sich ja aller Wahrscheinlichkeit nach um das Lektorat kümmern und eine*n Lektor*in dafür beauftragen. Es kann nicht der Sinn der Sache sein, dem Verlag ein perfekt lektoriertes Manuskript vorzulegen; die Verantwortlichen in einem Verlag kaufen Originaltitel ja zunächst ein und unterstützen die Autor*innen dann bei der Überarbeitung oder Vervollständigung des Titels. Für eine Bewerbung beim Verlag würde ich dir eher empfehlen, dich bei Exposé und Leseprobe unterstützen zu lassen.
Das generelle Problem, mit einem konkreten Projekt bei einem Verlag nur schwierig Fuß fassen zu können, kann ich ebenfalls gut nachvollziehen.
Hier gibt es meiner Meinung nach zwei Möglichkeiten:
1. Du könntest darüber nachdenken, selbst zu veröffentlichen. Als Selfpublisher hast du viele Freiheiten, musst aber auch die gesamte Marketingarbeit für dein Buch übernehmen. Auch um Lektorat und Korrektorat musst du dich hier kümmern.
2. Du könntest in Erwägung ziehen, dich bei einer Literaturagentur zu bewerben und dich durch diese vertreten zu lassen. So hättest du eventuell bessere Möglichkeiten, einen passenden Verlag für dich zu finden und würdest eine ganze Menge organisatorische Unterstützung erhalten.
Natürlich kannst du es auch weiterhin so versuchen. Die beiden Punkte sind nur Ideen von mir und garantieren natürlich keinen Erfolg.
Falls du dennoch Unterstützung von einer Lektorin benötigst, kannst du dich sehr gerne bei mir melden!
Hoffentlich konnte ich dir etwas weiterhelfen.
Liebe Grüße
Silvana